Die Familie Wergin
– eine alte Bauernfamilie von der Insel Wollin – aus der Geschichte des Dorfes Lauen
Nacherzählt auf der textlichen Grundlage von Gustav Brick, Berlin-Lankwitz von Claus Wergin, Seehof
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Das Dorf Lauen mit seinen beiden alten Bauerhöfen auf der Insel Wollin (heutiges Polen) ist erstmals urkundlich erwähnt im Jahr 11286 und wird „Lowen“ genannt. Auch die beiden Höfe dieses Dorfes sind schon eine beachtliche Reihe von Jahren im Besitz der Familien Wergin gewesen.
Die Familie Wergin, später Sarnow, besitzt ihren Hof seit dem Miachelistag 1565. Am 1. Mai diesen Jahres verkaufte nämlich Graf Ludwig von Eberstein, Probst zu Camin, seinen „lieben getreuen Joachim Wergin“ für 388 pommersche Gulden den Schulzenhof zu Laufen.

Als im Jahre 1578 die Probsteigüter auf Wollin durch Tausch an den Herzog gelangten, wird in den Verhandlungen auch der „Schultze Georgen Wärgin zu Lawen“ genannt, der für zwei Hufen und einen halben wüsten Kossätenhof die Pächte zu entrichten hatte. Gern hätte der Probst Lauen behalten. In einem Brief an den Herzog nennt er Lauen „eins von den vornembten pertinentien der Prbostey, und davon zuentrathen unmuglich.“

Während des Dreißigjährigen Krieges war Hans Wergin auf dem Hofe. Die schlimmen Jahre scheinen an Lauen vorübergegangen zu sein; denn schon gegen Ende des großen Krieges weist der Hof einen Viehbestand auf, wie er wohl in andren Gemeinden Pommerns zu der Zeit kaum zu finden war. 10 Pferde, 8 Kühe und 12 Schweine füllen die Ställe, dazu ein reichen Bestand an Kleinvieh.

Aber mit dem Jahre 1648 waren die Kriegsjahr nicht vorbei. Als der Große Kursfürst nach seinem Siege über die Schweden bei Fehrbellin „den Sonntag vor Michaelis Anno 1675 die Festung und Insel Wollin mit Sturm erobert“ da begann auch für Lauen eine Leidenszeit.
Jochen Wergin (geheiratet am 30.10.1679 und Vater von 5 Kindern) konnte die Geld- und Kornpacht nicht geben. Eine kurze Bemerkung in alten Akten gibt den Grund an: „Ist wüst gewesen“.

Blieb das Dorf von Kriegsläuften verschont, so machten die Unbilden der Natur den Bauern das Leben schwer. Lauen hatte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert sehr schwer unter Hochwasser und Versandung zu leiden; vergebens kämpfte Heinrich Wergin (geheiratet am 30.10.1726) – Vater von drei Mädchen und drei Söhnen - mit Zaunwerk und Weidenpflanzungen dagegen an. Manch Morgen Land konnte nicht mehr beackert werden, die Wiesen wurden zur Teil weggespült, die Beek versandete, und auch in den Ställen stand das Vieh im Wasser. Ein schwerer Schlag traf den Hof, als nach einem strengen Winter eine Seuche 4 Pferde und 11 Rinder hinraffte.

Als 1752 Joachim Wergin, (geb. am 3.4. 1729; gest. am 27.9.1795)  den Hof übernahm, da war der Acker ganz außer Kultur, trug kaum das 2. Korn und „nichts als Blumen“. Zu seiner Zeit tobte der Siebenjährige Krieg, der seine Ausläufer auch bin ins entlegene Lauen trieb. Einmal stahlen die Schweden 20 Scheffel Roggen und ein Fuder ungedroschenen Hafen, ein andermal holten sie 4 Scheffel Roggen vom Boden. Die Russen in Camin forderten einen Ochsen und vier Hammel, dazu waren schwere Brandschatzungen zu zahlen.
Ein ganzer Kerl muss dieser Joachim gewesen sein, der mit eisernen Willen seinen Hof wieder hochbrachte. Der Amtmann Ferno schreibt 1779 über ihn: Der itzige Besitzer dieses Hofes ist eine von denen tüchtigsten Wirthen im Amte. Ich kann sicher behaupten, dass der Hof keimen besseren Wirth jemahlen bekommen werden.“
Und doch hat gerade dieser Mann Schweres durchkämpfen müssen. Zwanzig Jahre  nach seinem Besitzantritt strengten die weiblichen Erben, aufgestachelt durch einen Schwager, einen Prozess mit dem Ziele einer neuen Erbteilung gegen ihn an. Schon war in dritter Instanz der Prozess für den Bauern verloren, und da er die riesige Forderung von über 3.300 Talern nicht aufzubringen vermochte, so hätte er mit dem Bettelstab vom Hofe gehen müssen. Da rette ihn eine Bittschrift an Friedrich den Großen. Durch das Eingreifen dieses bauernfreundlichen Königs entschied die Regierung, dass sich die fünf Geschwister mit 200 Talern begnügen sollten. So endete der Prozess nach einer Dauer von dreizehn Jahren mit der Erhaltung des Bauern auf seinem Hofe.

 
Ob die Ereignisse des Siebenjährigen Krieges, oder die Unbilden der Natur in Lauen, oder der langjährige Prozess der Schwestern den Ausschlag gab, für den unbekannten Verbleib der jüngeren Brüder von Joachim Wergin, ist heute nicht mehr zu erkunden. Doch für einen der jüngeren Brüder, Christian Wergin, geboren nach 1729 in Lauen, muss es Anlass gewesen sein, Lauen zu verlassen und in Warnow (ebenfalls auf der Insel Wollin) neu zu siedeln. Am 4. April 1761 wird dort sein Sohn Joachim Heinrich in Warnow geboren. Sein Sohn wiederum, Johann Friedrich Wilhelm, wird gegen 1815/18 ins Mecklenburgische abwandern und in Neukloster eine Pastorentochter aus der Nähe von Bad Doberan heiraten; sie bilden somit die Brücke zu der heute bei Wismar lebenden Familie Wergin.
Hier geht es weiter mit den Wergins aus Wismar
Jedenfalls konnte der Sohn von Joachim Wergin, Johann Wergin, (geb. am 23.9.1753; gest. am 31.7.1806) den alten Hof in trefflichem Zustanden übernehmen; werden doch in einer Amtsbeschreibung des Jahres 1801 die beiden Lauener Bauern als die einzigen Untertanen genannt, die über bares Geld verfügen.

Mit Bogislaw Wergin (geb. am 24.1.1784?) trat der letzt seines Geschlechts den Besitz des Hofes an. In ihm scheint sich noch einmal die ganze Zähigkeit und sture Beharrlichkeit seiner Vorfahren vereinigt zu haben. Da gab es Streit mit dem Rittergut Chinnow wegen der Fischereigerechtsame in der Koperow und dem Pastor verweigerte er die Flachsabgabe. 1836 wurde er als Abgeordneter des dritten Standes in den Provinzial-Landtag gewählt und vertrat die Bauern der Kreise Usedom-Wollin, Anklam und Demmin. In der Kolzower Kirchenchronik schreibt Pastor Meinhold: „Die Lauenschen sind liebe Leute, mit denen man gern zu tun hat, bloß dass Wergin zu hoffärtig und hadersüchtig ist, woran sein Landtagsamt viel Schuld hat. Auch sein großes Maul dadurch noch größer geworden.“ Als er 1845 im Kolzower Pfarrhaus auf einen Termin wegen des Kirchenbaues einem Schlaganfall erlag, war die Sippe Wergin im Mannesstamm erloschen. Sein Schwiegersohn, der Schulze Michael Sarnow (geb. am 26.1.1813; gest. 23.7.1882) aus Züns, wurde sein Nachfolger.


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